Zeitgeist-Spotter Luxusindustrie

Soeben haben wir das einjährige Bestehen des Corona-Virus in der Schweiz überschritten. Am 24. Feburar 2020 hat Alain Berset sich zum ersten Mal offiziell zum Virus geäussert. Ein Jahr später nähern wir uns in der Schweiz langsam einer schrittweisen Öffnung des zweiten Lockdowns an. Und die Menschen stehen vor den Läden schon wieder Schlange. Es wird sogar vom «Rache-Shopping» gesprochen.

Aber die Annahme, dass alles genau so weiterläuft wie vor der Pandemie wäre falsch. Die Pandemie hat viele Trends beschleunigt, die Konsumentenbedürfnisse haben sich verändert und die Marken, die dies am schnellsten erkennen und reagieren, werden sich einen Vorteil verschaffen.

\ Wie weiter mit der Luxusindustrie?

Der Luxussektor wird die Veränderungen ganz besonders zu spüren bekommen. Es ist kein Geheimnis mehr, dass der richtige Umgang mit Onlinekanälen auch hier eine der grossen Herausforderungen aber auch Chancen für die Zukunft ist.

Spannend ist der Einfluss der Pandemie: denn eine internationale McKinsey-Studie hat gezeigt, dass in den meisten Ländern über 2/3tel der Konsumenten neue Einkaufsoptionen ausprobiert haben. Die Krise hat im Onlinebereich in weniger als einem Jahr Fortschritte erwirkt, die ansonsten zwei bis drei Jahre gedauert hätten. Etwas tiefergegriffen offenbart sich eine auffällig tiefe Brand Loyalität unter den Konsumenten im Onlinebereich. Dies führt McKinsey darauf zurück, dass viele Unternehmen nur mässig vorbereitet sind, von den e-Commerce-Potentialen Gebrauch zu machen.

Deloitte hingegen geht davon aus, dass man in der Schweizer Uhrenindustrie zwar die Beschleunigung der Digitalisierung wahrnehmen wird, das In-Store Erlebnis aber ein essentieller Teil der Customer Journey darstelle. Die Konsumenten werden nach Wiedereröffnung der Läden daher wieder wie vor der Pandemie erwartet. Auch Erwan Rambourg, Managing Director und Global Co-Head of Consumer & Retail Research bei HSBC und Autor des Buches “Future Luxe”, ist der Meinung, dass Verkaufsläden ein unverzichtbarer Bestandteil der Luxuserfahrung sind. Online sei in diesem Bereich mehr ein Instrument fürs Storytelling, weniger für den Verkauf.

Das Las Vegas Resort The Cosmopolitan ist ein Meister des Omni-Channel-Storytellings. Ebenso einen guten Job machen Auktionshäuser wie Philips, welches Ende 2017 eine eindrücklich abgestimmte Mischung aus Kuration, Storytelling und Partnerschaften für den Verkauf der Rolex Paul Newman Daytona hinlegte.
Es wird also, nachdem wir das Schlimmste der Covid-Krise überwunden haben, für Luxusmarken nicht darum gehen, den ganzen Fokus auf einen spezifischen Kanal zu legen, sondern die verschiedenen Kanäle fein aufeinander abzustimmen. Ein ganzheitliches Markenerlebnis bieten zu können und zu wissen, welche Kanäle die Ausschlaggebenden für eine erfolgreiche Kundenbeziehung sind, wird von strategischer Wichtigkeit sein.

\ Die bedeutensten Konsumtrends für die Luxusindustrie

Die Pandemie hat zwei Konsumtrends, für welche jüngere Zielgruppen besonders einstehen, wesentlich beschleunigt: zum einen ist dies der «Purpose». Konsumenten wollen mehr über die Prozesse und Produktherkunft wissen und erwarten von Firmen eine klare Positionierung und Sinnhaftigkeit in ihrer Existenz. Mit gutem Beispiel voran ging die Marke Patagonia, welche während der Krise einen eCommerce-Stopp verhängt hat um ihre Mitarbeiter zu schützen und so seine Werte klar untermauert hat.

Ausserdem hat Covid-19 den Trend hin zu mehr Nachhaltigkeit und verantwortungsbewusstem Konsum drastisch verstärkt. Keine Kinderarbeit, Mindestlöhne und Tierstandards sind zum Killerkriterium für Marken geworden. Kunden, die die Premiumpreise bei Luxusmarken bezahlen, erwarten im Gegenzug ein Geschäftsmodell mit einer klaren Wertehaltung und positiver Umweltbilanz.

Die Erfahrung zeigt auch, dass Konsumenten nach grossflächigen Krisen, die tiefe emotionale Spuren hinterlassen, lieber zu «ruhigem Luxus» greifen. Handwerk und Herkunft spielen dabei eine grössere Rolle während auffälliges und «Bling» in den Hintergrund treten. Wir bei TBWA haben den, konträr zur Globalisierung stehenden, Trend «Roots Revival» identifiziert. Danach empfinden Konsumenten stark erhöhte Wertschätzung zu den lokalen Wurzeln, Traditionen und Bräuchen.

Doch wie können Luxusmarken nun auf diese Vielzahl an raschen Veränderungen reagieren? Wo liegt der gemeinsame Nenner?

\ Kenne die Luxuskundschaft

Um die entscheidenden Plattformen identifizieren und ein stringentes Storytelling etablieren zu können, müssen Luxusbrands vor allem eines: ihre Kundschaft kennen und verstehen. Doch gemäss Hausvoneden.de fehlt vielen Premiummarken genau dieses tiefere Wissen über ihre Endkunden.

Insbesondere wichtig wird das Verständnis für die jüngeren Kunden. Denn Bain & Company geht davon aus, dass die Millenials in vier Jahren rund 40% der globalen Luxuskonsumenten ausmachen werden. Bis dahin werden zu dieser Gruppe passend rund 30% der Branchenabsätze über online Kanäle getätigt.

Corona könnte die Luxusindustrie gemäss Bain & Company noch einige Jahre negativ beeinflussen. Erst per 2025 wird in dem Sektor wieder ein Wachstum erwartet. Ob dies so eintrifft hängt aber stark von den strategischen Entscheiden der Unternehmen ab und diese wiederum davon, ob und wie Marken auf die veränderten und beschleunigten Konsumententrends reagieren.